Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis by Nicola Vollkommer

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis by Nicola Vollkommer

Autor:Nicola Vollkommer
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Arktis, Biografie, eBook
Herausgeber: SCM Haenssler im SCM-Verlag GmbH Co KG


»Stauraum für die Vorräte des Minihitaks frei machen!«

»In welchem Iglu schlafen sie?«

Der Besuch der Missionare war der Höhepunkt des Jahres für die Bewohner von Tuktutuk. Diese kleine Siedlung war im Sommer durch das Wasser des Coronation Gulf von Coppermine getrennt. Im Winter war diese Bucht gefroren und verwandelte sich in eine Durchgangsstraße. Das Kinderlachen und das Bellen der Hunde, vermischt mit dem Schreien der Erwachsenen, hörten die Männer lange bevor sie die Schneehäuser sichteten, die wie sanft leuchtende, gelbe Halbkugeln am Horizont gegen den dunklen Himmel glühten.

»Als ob ein Fest im Gange wäre«, grinste Jack.

»Den Schlittenspuren nach war nur die berittene Polizei vor uns hier«, antwortete Alfred.

»Und was macht die Polizei in so einer Siedlung?«

»Hauptsächlich Tee trinken und plaudern. Und nebenbei behördliche Dinge regeln: Volkszählung, Jagdscheine aushändigen, Wildbestand überprüfen. Reine Formsachen. Als Polizeibeamte der kanadischen Regierung lebt es sich hier gut, Mr Sperry!«

»Ich habe wohl den falschen Beruf gewählt«, lachte Jack. »Aber fühlen sich die Igluleute nicht bevormundet?«

»Keineswegs«, erwiderte Alfred, »sie freuen sich sogar, wenn die Polizei kommt. Diese gibt sich allerdings auch große Mühe, ihnen zu helfen.«

Als die Besucher endlich ankamen, stolperten auch die trägsten Schlafmützen aus ihren Schneehäusern. Nach einem festen, herzlichen Handschlag zur Begrüßung waren alle vollauf beschäftigt. Ein Platz wurde für die Besuchshunde freigeschaufelt, viele helfende Hände trugen die Vorräte vom Schlitten in das Schneehaus des Gastgebers, wo Jack und Alfred ihre eiskalten Finger schon an einem heißen Becher Tee wärmten.

Ein junger Mann setzte sich zu Jacks Füßen und folgte mit seinen großen Augen jeder Bewegung des Minihitaks. Er sah aus, als ob er etwas sagen wollte, sich aber nicht traute.

»Wie heißt du, junger Mann?«

»Oyarak«, sagte er leise.

»Hast du eine Frage, Oyarak?« Jack beugte sich nach vorne.

»Ja, Minihitak. Warum machen Sie das? Warum kommen Sie zu uns? Wegen drei Schneehäusern? Mit Armut, Hunger, Kälte?«

Er zog ein zerknittertes Stück Papier aus der Tasche seines dicken Parkas, breitete es aus und zeigte mit einem Finger darauf. Jack nahm es neugierig in die Hand.

Es war die Seite eines Möbelkatalogs. Die Farben waren verblichen, die Umrisse jedoch klar genug, um es als Abbildung eines europäischen Wohnzimmers mit gehobener Ausstattung erkennen zu lassen. Klar, dachte Jack. Die Polizisten waren hier und haben Zeitschriften für die Jugendlichen dagelassen.

»Du denkst, dass ich früher in so einem Haus gelebt habe wie auf diesem Bild, oder?«

Der Junge nickte schüchtern.

»Erstens, unser Haus war zwar gemütlich, aber nicht ganz so schön wie dieses. Und auch wenn es so schön gewesen wäre, würde ich trotzdem hundertmal lieber hier mit dir und diesem leckeren Tee sitzen, als irgendwo anders in der Welt zu sein!«

Der Junge strahlte übers ganze Gesicht.

»Später, wenn alle versammelt sind«, fuhr Jack fort, »werde ich erzählen, warum ich gekommen bin. Und du bist derjenige, der mich auf die Idee gebracht hat!«

Bis zum Gottesdienst sollte es aber noch eine Weile dauern. Denn jeder Besuch folgte einem inoffiziellen, aber straff geregelten Ritual. Am Anfang mussten Jack und Alfred berichten, wie es den anderen Familien ging, die sie auf dieser Reise schon besucht hatten. Man kannte sich meistens oder wusste zumindest voneinander.



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